Das Comelicotal in Venetien und das Gailtal
in Österreich
sind durch die Alpen und durch die Staatsgrenze getrennt,
die vom Gipfel des Frugnoni über den Cavallino und den
Gipfel des Vallona bis Peralba verläuft.
Die Gemeinsamkeiten in den Umweltbedingungen und die Unterschiede
in der Lebensorganisation stellen ein interessantes Miteinander
von Verwandtschaften und Unterschieden dar, von Analogien
und Gegensätzen, das für so interessant gehalten
wird, das ihm, auf Initiative der Comunità Montana
Comelico und Sappada eine Studie gewidmet wurde. Die europäische
Union hält diese Untersuchung für ebenso interessant,
dass sie diese im Rahmen der INTERREG-Projekte finanziert
hat.
In dieser Arbeit wurden ökologische, ökonomische
und soziale Aspekte der beiden Alpentäler einer genauen
Untersuchung unterzogen. Dabei sind nicht nur die Forstämter
der beiden Regionen, österreichische und italienische
Wissenschaftler und Universitätsforscher einbezogen
worden, sondern auch die Menschen vor Ort, angefangen bei
den Waldbesitzern bis zu den Landwirten. Im Comelico und
im Gailtal dreht sich alles um den Wald, und anhand des Waldes
werden Besonderheiten und Eigenarten verglichen.
Die Bewohner der Gemeinde Untertillach sind stolz auf die
Tatsache, auf ihrem Gemeindegebiet die imposanteste Fichte
der Alpen zu haben, ein pflanzliches Denkmal, das 40 Meter
hoch ist und sechs Personen erfordert, um es zu umfassen.
Die Bewohner des Visdendetals erfüllt es mit ebenso
viel Stolz, dass in ihren Wäldern die größte
Naturnähe im Alpenraum erreicht wird, und dass bei ihnen
40 m hohe Bäume alles andere als eine Seltenheit sind.
Jedoch jenseits dieses Lokalpatriotismus hat die durch die
Comunità Montana des Comelico initiierte Studie deutlich
gemacht, wie unterschiedlich, trotz ähnlicher orographischer
und physischer Rahmenbedingungen, die Lebenssysteme auf den
beiden Seiten der Grenze sind.
Im Comelico gehören die Wälder den "Regole",
Vereinigungen sehr alten Ursprungs, die für die Verwaltung
der Wälder zuständig sind und die Erträge
in der Gemeinschaft verteilen. Einst dienten diese Erträge
zur Deckung primärer Bedürfnisse wie Wohnung, Gesundheit,
Bildung; heute werden sie für neue Bedürfnisse
des Umweltschutzes und der Tourismusförderung verwendet.
Im Gailtal hingegen wiegt der Privatbesitz in der Form von
Höfen vieler kleiner Landwirte vor. Diese Landwirte
besitzen Wälder in der Größenordnung von
8 -10 Hektar und Weiden von ca. 15 -20 Hektar. Eine derartige
Situation begünstigt den Erhalt einer Landschaft, die
von der landwirtschaftlichen Tätigkeit geprägt
ist. Sie wird fortwährend gepflegt und ist unter ästhetischen
Gesichtspunkten in Europa fast einzigartig.
Im Comelico werden die Pflanzen zur Pflege des Waldes, entsprechend
ihrer Vitalität, geschlagen. Im Gailtal dagegen wird
der unterschiedslose Kahlschlag praktiziert, dessen Logik
den ökonomischen Bedürfnissen der Besitzer folgt.
In den Schutzgebieten genießen die Bauern eine stärkere
finanzielle Unterstützung als die Bauern des Veneto,
was zu einer höheren Ertragsleistung der Tiroler Wälder
führt. Dieser Aspekt wird jedoch im Comelico durch eine ökologische
Ertragsleistung kompensiert, die zwar keine direkte ökonomische
Entsprechung hat, jedoch nicht weniger wichtig ist.
Beides sind langfristig konsolidierte Systeme mit ihren Vor-und
Nachteilen. Zu letzteren gehören, im Comelico, die Aufgabe
der landwirtschaftlichen Aktivitäten; die Bergwiesen
werden nicht mehr gemäht, der Wald breitet sich ungeordnet
aus. Im Gailtal führt der Kahlschlag zu Flecken, die
wenig zum sonst harmonischen Gesamtbild der Landschaft passen.
Diesseits und jenseits der Alpen spielt die Holzbearbeitung
eine wichtige Rolle: im Comelico in der Form von handwerklich
arbeitenden Schreinereien mit einem hohen Qualitätsniveau,
im Gailtal durch die Verbreitung der Sägewerke. Das
Studium dieser Ähnlichkeiten und Unterschiede, so lautet
das Ziel dieses INTERREG-Projektes, kann helfen, in beiden
Tälern die beste Art und Weise zu finden, die Wälder
und den Raum zu verwalten und zu ordnen, die Kontakte zwischen
Akteuren, Technikern und Vertretern der Verwaltungen herstellen
und so eine ökonomische Entwicklung zu garantieren,
die möglichst kompatibel ist mit dem Ökosystem.
InfoINTERREG n. 4/ 2001
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